20. November 2025
von Mende | Lovebrand | Artikel

Warum gibt es keine Pharma Lovebrands?
Und warum ist das ein Problem?

Mal ehrlich: Wann haben Sie das letzte Mal jemanden sagen hören „Ich liebe diese Pharmamarke”? Richtig, vermutlich nie. Während Menschen mit ihren Lieblingsmarken Selfies posten und Lifestyleprodukte wie persönliche Statements tragen, bleibt die Pharmabranche emotional so anziehend wie ein Wartezimmer beim Zahnarzt. Aber warum ist das so? Und – noch wichtiger – warum sollte das jede:n Marketingentscheider:in im Healthcare-Bereich nachts wachhalten?

Die Antwort ist komplexer als ein Beipackzettel und gleichzeitig glasklar: Pharmaunternehmen haben verlernt (oder nie gelernt), Emotionen zu wecken. Sie informieren, regulieren, dokumentieren – aber sie berühren nicht. Klar, Healthcare ist kein gewöhnlicher Markt – Regulatorik, medizinische Verantwortung und Compliance sind gesetzt. Aber genau deshalb braucht es mehr als wissenschaftliche Fakten: Es braucht emotionale Verbindung. In einer Welt, in der Konsument:innen Beziehungen zu Marken aufbauen wie zu Menschen, steht Pharma noch immer steif in der Ecke und liest Sicherheitshinweise vor.

Was ist eine Lovebrand überhaupt?

Eine Lovebrand ist mehr als ein Logo mit gutem Ruf. Sie ist eine emotionale Heimat. Menschen identifizieren sich mit ihr, verteidigen sie in Diskussionen und empfehlen sie ungefragt weiter. Lovebrands schaffen es, dass Kund:innen nicht nur wiederkommen, sondern zu Botschafter:innen werden. Sie zahlen gerne mehr, verzeihen Fehler schneller und bleiben treu – selbst wenn günstigere Alternativen winken.

Denken Sie an Patagonia, die nicht nur Jacken verkaufen, sondern eine Bewegung anführen. Oder an Vorwerk mit dem Thermomix, wo Kundinnen und Kunden nicht einfach ein Küchengerät kaufen, sondern Teil einer eingeschworenen Gemeinschaft werden. Diese Marken haben verstanden: Menschen kaufen nicht nur Produkte, sie kaufen Gefühle, Zugehörigkeit, Identität.

Emotionale Bindung schlägt rationale Entscheidung
Die Neurowissenschaft und das Neuromarketing geben uns recht: Kaufentscheidungen werden zu 95 % emotional getroffen und dann rational begründet.1 Unser Gehirn liebt Geschichten, Emotionen und Verbindungen. Das limbische System – der emotionale Teil unseres Gehirns – trifft die Entscheidung, lange bevor der rationale Cortex überhaupt mitreden darf.

Lovebrands zapfen genau diese emotionale Ebene an. Sie erzählen Geschichten, die bewegen. Sie stehen für etwas, das größer ist als ihr Produkt. Sie schaffen Erlebnisse, keine Transaktionen.

Die pharmazeutische Wüste: Wo Lovebrands sterben

Um fair zu sein: Die Pharmabranche operiert in einem extrem regulierten Umfeld. Im verschreibungspflichtigen Rx-Segment legen regulatorische Fesseln und kreative Handschellen die Kommunikation oftmals an die Kette. Jeder Satz wandert durch die Prüfstraßen von Legal, Compliance und Behörden. Das Heilmittelwerbegesetz liest sich dabei wie ein Kreativitätsverhinderer in Gesetzesform.

„Emotional”? Ja, aber bitte mit dreifach abgesichertem Disclaimer. Das Ergebnis: Kommunikation, die so spannend ist wie eine Excel-Tabelle mit Nebenwirkungen. Alles ist abgesichert, nichts ist mitreißend. Aber auch im OTC-Bereich, wo theoretisch mehr Spielraum besteht, trauen sich die meisten nicht aus der Deckung. Die Angst vor dem Fehler ist größer als der Mut zur Botschaft.

Natürlich ist Sicherheit in der Pharmabranche nicht verhandelbar. Aber zwischen „verantwortungsvoll kommunizieren” und „jede Emotion aus Angst vermeiden” liegt ein Ozean ungenutzter Möglichkeiten.

Die meisten Pharma-Kampagnen lesen sich deshalb wie Gebrauchsanweisungen. Sachlich, funktional, distanziert. Wo bleibt die Menschlichkeit? Wo die Empathie für Patient:innen, die mit Ängsten kämpfen? Wo die Inspiration für Ärzt:innen, die täglich schwierige Entscheidungen treffen?

Das Vertrauensdefizit der Branche
Und dann ist da noch das Imageproblem. Skandale, überhöhte Preise, Intransparenz – die Pharmaindustrie kämpft seit Jahren mit einem Vertrauensdefizit. Statt dieses aktiv durch authentische Kommunikation zu bekämpfen, verstecken sich viele hinter Fachsprache und Corporate-Floskeln.

Vertrauen entsteht durch Nähe, Transparenz und Authentizität. Genau das, was im Pharmamarketing oft Mangelware ist.

Austauschbarkeit ist der Tod jeder Marke

„Na und?”, könnte man denken. „Medikamente werden doch gekauft, weil sie wirken, nicht weil sie geliebt werden.” Stimmt. Aber dieser Gedanke greift zu kurz – gefährlich kurz. Wenn Ihre Marke keine emotionale Differenzierung schafft, wird sie austauschbar.

Im ohnehin schon stark regulierten Pharmamarkt kann das dazu führen, dass Ärzt:innen das Präparat verschreiben, das in der Software als erstes erscheint, Apotheker:innen eher den höheren Margenbringer empfehlen und Patient:innen googeln und bei der lautesten Konkurrenz landen.

Ohne emotionale Bindung bleiben nur rationale Kriterien: Preis, Verfügbarkeit, Gewohnheit. Keine gute Verhandlungsposition.

Loyalität? Mangelware!
Lovebrands genießen Kundentreue, die durch Krisen trägt. Pharmaunternehmen? Die müssen bei jedem Skandal, bei jeder Preiserhöhung, bei jeder negativen Schlagzeile komplett von vorne anfangen. Es gibt kein emotionales Guthaben, keine Goodwill-Reserve.

Patient:innen wechseln bereitwillig, wenn eine Alternative auftaucht. Ärzt:innen haben keine emotionale Präferenz für Hersteller. Und die Apotheken? Loyalität endet hier oftmals, wo der Rabatt beginnt.

Die digitale Revolution wartet nicht auf Pharma

Instagram, LinkedIn, TikTok – diese Plattformen leben von Persönlichkeit, Nahbarkeit, Echtheit. Während andere Branchen längst verstanden haben, dass digitale Kanäle nach Authentizität schreien, hinkt Pharma hinterher wie ein Läufer mit Bleigewichten. Heilmittelwerbegesetz, Nebenwirkungsmeldepflichten und strenge Compliance-Vorgaben machen spontane, authentische Kommunikation zur Gratwanderung.

Aber: Diese restriktiven Rahmenbedingungen sind kein Freifahrtschein für emotionslose Kommunikation. Sie sind die Spielregeln, innerhalb derer kreative, berührende Markenkommunikation möglich ist – und sein muss. Menschen wollen auch im Healthcare-Bereich echte Geschichten, echte Menschen, echte Emotionen jenseits polierter PR-Texte und Stock-Fotos von lächelnden Ärzten. Wer das nicht liefert, wird hier schlicht ignoriert.

Die Herausforderung ist also nicht, ob emotionale Kommunikation möglich ist, sondern wie sie rechtssicher und glaubwürdig umgesetzt wird.

Transparenz als neue Währung
Die digitale Welt hat die Machtverhältnisse verschoben. Informationen sind frei verfügbar, Bewertungen öffentlich, Kritik viral. Pharmaunternehmen, die weiter auf Intransparenz und Kontrolle setzen, verlieren das Spiel.

Lovebrands hingegen setzen auf radikale Transparenz. Sie zeigen auch die Schattenseiten, geben Fehler zu, laden zum Dialog ein. Das schafft Vertrauen – und die ist die Grundlage jeder emotionalen Bindung.

Lichtblick aus der Praxis

Einige Marken zeigen bereits, dass Healthcare und emotionale Nähe kein Widerspruch sein müssen. Aristo Pharma zum Beispiel zeigt bei einem Relaunch, wie emotionale Markenkommunikation verhindert, in der Austauschbarkeit zu verschwinden. Statt bei Sedariston®, einem pflanzlichen Medikament gegen innere Unruhe und leichte depressive Verstimmungen, auf die übliche Formel „Wirkstoff + Indikation” zu setzen, wagte man echte Emotionen. Das Ziel: Die Neupositionierung in einem hart umkämpften Markt – ohne in die Wellness-Falle zu tappen.

„Ohne Lovebrands geht’s nicht. Wer heute relevant bleiben will, muss emotional überzeugen – bei Konsument:innen wie HCPs. Deshalb richten wir unsere Markenkommunikation genau darauf aus”
Tobias Wilken, Leitung Marketing & Vertrieb OTC bei Aristo Pharma

Statt Sorglosigkeit zu versprechen, kommuniziert die neue Kampagne ehrlich: „Es ist ok, nicht ok zu sein.” Die Bildsprache vermittelt Authentizität – nicht die übliche Stock-Ästhetik. Der Claim „Drück dich mal!” spricht die Zielgruppe auf Augenhöhe an und entstigmatisiert mentale Belastung.

Es muss nicht gleich Liebe oder Selbstliebe wie bei Sedariston thematisiert werden. Aber wer den Mut hat, kreativ Endnutzen statt Features zu kommunizieren und Empathie über Produkteigenschaften zu stellen, schafft emotionale Differenzierung. Aristo beweist, dass Lovebrands im Healthcare-Sektor keine Utopie sind – sondern eine Frage der Haltung.

Der Weg zur Pharma Lovebrand:
Emotionales Marketing neu gedacht

Wie kommen wir also von der Gefühlswüste zur emotionalen Oase? Drei zentrale Hebel:

Storytelling, das unter die Haut geht
Geschichten sind das älteste Marketing-Tool der Menschheit. Warum? Weil unser Gehirn darauf programmiert ist, durch Storys zu lernen und zu fühlen.

Statt trockener Produktfeatures: Erzählen Sie von der Patientin, die dank Ihrer Therapie wieder tanzen kann. Vom Forscher, der 15 Jahre für einen Durchbruch kämpfte. Von der Vision, die Ihr Unternehmen antreibt. Machen Sie Komplexes durch emotionale Endnutzen relevant und überraschend einfach.

Purpose mit Substanz, nicht nur Lippenbekenntnis
Purpose ist zum Buzzword verkommen. Jedes Unternehmen hat plötzlich einen „höheren Sinn”. Das Problem: Konsument:innen haben ein feines Gespür für hohle Versprechen. Sie merken, wenn Purpose nur Marketing-Kosmetik ist.

Ein Purpose-Statement auf der Website reicht deshalb nicht. Lovebrands leben ihren Purpose in jedem Touchpoint. Sie machen ihn erlebbar, messbar, glaubwürdig.

Für Pharma könnte das bedeuten: Klima und Gesundheit verbinden. Zugang zu Medikamenten demokratisieren. Aufklärung statt nur Absatz. Gesellschaftlichen Mehrwert schaffen, der über den Quartalsbericht hinausgeht.

Community-Building als Markenstrategie
Menschen wollen Teil von etwas Größerem sein. Schaffen Sie Räume für Austausch, Zugehörigkeit, Mitgestaltung. Ob Patient Support Programme, die wirklich supporten, oder Online-Communitys für HCPs – die Marke, die verbindet, gewinnt.

Auch HCPs haben Gefühle: B2B-Emotionalität im Healthcare-Sektor

Ein häufiger Irrtum: B2B-Kommunikation müsse rational sein. Falsch! Auch Ärzt:innen, Apotheker:innen und Einkäufer:innen sind Menschen. Sie reagieren auf sympathische, authentische Inhalte. Sie erinnern sich an Kampagnen, die sie berührt haben. Sie empfehlen Produkte weiter, zu denen sie eine positive Beziehung haben.

Emotionales Marketing im B2B-Healthcare bedeutet nicht, unprofessionell zu werden. Es bedeutet, Professionalität mit Emotionen zu verbinden. Augenhöhe statt Überlegenheit. Dialog statt Monolog.

Fazit: Die Zukunft gehört den Mutigen
Die Pharmabranche steht an einem Scheideweg. Weiter wie bisher – und sich in Austauschbarkeit und Irrelevanz verlieren? Oder den Mut aufbringen, emotional zu werden, Bindung zu schaffen, Liebe zu wecken?

Lovebrands im Healthcare-Sektor sind möglich. Sie brauchen nur dreierlei: Den Mut, innerhalb regulatorischer Grenzen neue Wege zugehen. Die Kreativität, Emotionen zu wecken, ohne unseriös zu werden. Und die Konsequenz, Marke nicht als Logo, sondern als Beziehung zu denken.

Denn am Ende entscheidet nicht die beste Compliance-Abteilung über den Markterfolg. Sondern die Marke, die es schafft, in Köpfen und Herzen zu bleiben.

Und genau hier setzen wir an: Wer den Mut hat, Emotionen im Healthcare-Marketing zuzulassen, braucht einen Partner, der zwischen Compliance und Kreativität vermittelt. Gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln wir Strategien, die ihre Marken spürbar nahbarer, relevanter und unverwechselbar machen – damit aus Vertrauen Begeisterung und aus Bekanntheit echte Markenliebe wird. Also: Wann machen wir Ihre Marke zur Lovebrand?
1 Zaltmann (2003); vgl. auch Damasio (1994) – etwa 95 % unserer Entscheidungen entstehen unbewusst und werden emotional getriggert, bevor sie rational begründet werden.

FAQ

  1. Können Pharmaunternehmen überhaupt Lovebrands werden, angesichts der strengen Regulatorik?
    Ja, absolut! Die Herausforderung liegt nicht in der Regulatorik selbst, sondern in der kreativen Interpretation des Möglichen. Emotionale Kommunikation und Compliance müssen kein Widerspruch sein. Es braucht Mut, strategisches Denken und die richtige Balance zwischen Empathie und Seriosität.
  2. Warum ist emotionales Marketing auch im B2B-Healthcare relevant?
    Weil auch Ärzt:innen, Apotheker:innen und Entscheider:innen Menschen sind, die emotional geprägte Entscheidungen treffen. Studien zeigen, dass selbst Fachkreise positiv auf authentische, sympathische Kommunikation reagieren. Eine rein rationale Ansprache führt zu Austauschbarkeit – Emotionen schaffen Differenzierung und Loyalität.
  3. Was ist der größte Fehler im aktuellen Pharmamarketing?
    Die Angst vor Emotionen. Viele Unternehmen verwechseln sicher mit „langweilig“ und „reguliert“ mit „gefühllos“. Der zweite große Fehler: Fehlender Purpose. Wer nur über Produkte spricht statt über Werte und gesellschaftlichen Beitrag, bleibt unsichtbar.
  4. Wie messe ich den Erfolg emotionaler Markenkommunikation?
    Durch klassische Marken-KPIs wie Brand Love Score, Net Promoter Score, Share of Voice in Social Media, Engagement-Raten, Verweildauer auf digitalen Kanälen und qualitative Befragungen. Langfristig zeigt sich der Erfolg auch in Loyalitätsraten, Weiterempfehlungen und Preisbereitschaft.
  5. Was können kleinere Pharma- oderHealthcare-Unternehmen mit begrenztem Budget tun?
    Authentizität kostet kein Vermögen. Beginnen Sie mit echten Geschichten aus Ihrem Unternehmen, bauen Sie Communities auf (z.B. LinkedIn-Gruppen), nutzen Sie Owned Media clever, setzen Sie auf Content Marketing statt teurer Kampagnen. Die besten Lovebrands entstehen nicht durch Big Budgets, sondern durch echte Verbindungen.

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